19.05.21 I Es braucht einen Befreiungsschlag für die Pflege
Nach inzwischen über einem Jahr unter pandemischen Bedingungen ist wahrnehmbar, dass die gesellschaftliche Bedeutung der beruflich Pflegenden und der pflegenden Angehörigen zwar gestiegen ist, leider aber nach wie vor nicht ausreichend Anerkennung findet. „Im letzten Jahr haben wir deutlich gesehen, wie sehr wir uns in der Gesellschaft auf diejenigen stützen, die beruflich oder privat in der Pflege tätig sind – unabhängig davon, ob in der ambulanten Pflege, in stationären Einrichtungen oder zu Hause“, blickt der sozialpolitische Sprecher des AWO-Kreisverbandes Fürth-Stadt, Dr. Benedikt Döhla, zurück. „Wir alle sind diesen Menschen sehr dankbar, es darf unserer Meinung nach aber nicht bei rein symbolischem Dank bleiben“, findet Dr. Döhla. Nach Ansicht der AWO müssen die Arbeitsbedingungen in der Pflege jetzt verbessert werden: zu geringe Personalschlüssel, hohe Arbeitsbelastung und keine flächendeckende tarifliche Bezahlung höhlen das System Pflege aus, weil langfristig die Fachkräfte wegbrechen. „Um die Gesundheitsversorgung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu sichern, sind spätestens jetzt Lehren aus der Pandemie zu ziehen: die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Pflege müssen deutlich und dauerhaft verbessert werden!“, fordert Dr. Döhla. Dass die von der Bundesregierung angekündigte Pflegereform nun offenbar auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben wird, ist dabei nicht gerade förderlich.
In diesem Zusammenhang darf auch die Situation der pflegenden Angehörigen nicht vergessen werden: 80% der 4,1 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt.
Dies führt Pflegende häufig, neben den herkömmlichen Belastungen des Alltags, an den Rand körperlicher und psychischer Überlastung. „Wer zu Hause einen Angehörigen pflegt, muss unterstützt und entlastet werden“, so die Vorsitzende des AWO-Kreisverbandes Karin Hirschbeck, die vorschlägt über die Einführung einer Entgeltersatzleistung nachzudenken, die – analog zum Elterngeld – für bis zu 36 Monate gezahlt wird.
Die Art und Weise, wie Pflege in der Bundesrepublik institutionell und privat organisiert wird, ist nicht nachhaltig. „Wir sehen mit Sorge, dass die Pflege nur deshalb funktioniert, weil Menschen beruflich und privat mit großem Engagement mehr geben, als sie müssten oder langfristig leisten können.“, bedauert
Dr. Döhla. Der Wohlfahrtsverband befürchtet, dass wir auf eine Krise der Pflege zusteuern, deren Anzeichen allmählich immer deutlicher auszumachen sind.